Der Mythos lebt


Sagenumwobene Orte an denen Radfahrergeschichte geschrieben wurde, gibt es ja einige, die steile Wand ist jedoch etwas ganz besonderes, ein Mythos der bis heute lebt. Unser Kurztripp führte uns diesmal nach Meerane, eine Kleinstadt mit ca. 16.000 Einwohnern im Erzgebirge.

Kurz nach dem Frühstück in einem kleinen schicken Hotel am Stadtrand, machten wir uns auf den Weg quer durch die Stadt, nur um einmal im Leben am Fuße der steilen Wand stehen zu können. Es ist brennend heiß, nur wenige Menschen begegnen uns und überhaupt scheint die Kleinstadt in Sachsen etwas verschlafen, als hätte sie die rumreichen Tage des Radrennsports längst hinter sich gelassen.
Für uns Kinder der 80er-DDR-Generation gehörte die Friedensfahrt zu den Höhepunkten des Sportjahres. Oft saßen wir in den Sommerferien, meist vor einem schwarz/weiß Bildschirm, beieinander und verfolgten gespannt die Etappen des wohl wichtigsten Sportereignisses der Ostblockstaaten. Später wurde die Friedensfahrt als ,,Tour de France des Ostens" bezeichnet, jedoch hat sie für viele Ostdeutsche bis heute einen durchaus höheren Stellenwert als es die Frankreich Rundfahrt je erreichen wird. Dies liegt jedoch aus meiner Sicht einzig und allein darin, dass es sich bei der ,,Friedensfahrt" im Gegensatz zur ,,Tour de France" um eine reine Amateursportveranstaltung handelte, welche von Staatsamateuren Ost- und Mitteleuropas ausgetragen wurde.
Zudem war das offizielle Symbol dieser Radsportveranstaltung Pablo Picassos weiße Friedenstaube, die es mit Ihrer damaligen Botschaft einmalig und einzigartig machte!


Während ich noch immer tief in meinem Kopf in den Gedanken schweifend, mit den Kumpels von damals auf Omas Sofa vor der schwarz/weiss Klotze ... rote Brause trinkend .... die Friedensfahrt verfolge, brennt die Sonne unerträglich auf dem Asphalt.
Neubauten, Altbauten und zerfallene Häuser säumen das Stadtbild von Meerane und doch hat dieser Ort einen gewissen Charme.
Hin und wieder sehen wir einen von der Hitze gequälten Rennradfahrer. Die Beschilderung ist tatsächlich erstklassig und irgendwann, Irgendwo im Nirgendwo, stehen wir noch um die Ecke biegend ... vor der langen, steilen Kopfsteinpflaster Wand ...WAS für ein beeindruckender Anblick.


Ich weiss nicht ob es nur ein Zufall war, aber wir hatten die Wand eine gefühlte halbe Stunde ganz für uns allein. Keine nervenden Autos und Fußgänger, keine Touristen mit Fotoapparaten und auch keine Rennradfahrer welche es sich dort beweisen wollten. Lediglich zwei nette Straßenarbeiter die das Kopfsteinpflaster mit einem Gasbrenner vom Unkraut befreiten, säumten unseren Weg.
Wer eine ,,Die Steile Wand Eisdiele" mit Friedensfahrts-Eiskugel und Videoleinwand erwartet, bei der man vielleicht auch noch Souvenirs für teures Geld kaufen kann, der sollte einen anderen Ort wählen! Das hier ist was anderes und definitiv die bessere Wahl aber nur wenn man seinen Gedanken auch wirklich freien Lauf lässt.


Schleichend zogen wir weiter. Bei diesen sommerlich heißen Temperaturen, war ein schnelleres Vorankommen unmöglich, Bemalte Häuserwände erinnerten an die rumreichen vergangenen Tage. Dieser Anstieg verkörperte den ganzen Stolz dieser Stadt. Tafeln und Bilder links und rechts am Straßenrand, beschreiben die Geschichte dieser einzigartigen Straße. Das Kopfsteinpflaster mit seinen ausgewaschenen Fugen muss die Hölle gewesen sein, von einer Auffahrt im Regen ganz zu schweigen. Vergleichbar harte Bedingungen findet man lediglich beim legendären Kopfsteinpflaster-Rennen Paris-Roubaix.
Oben angekommen hast Du Dir einen einzigartigen Blick verdient, einen Blick weit über die verträumte Kleinstadt in Sachsen mit dem Namen Meerane.
Liebe Leser, dieser Artikel wurde natürlich von den Emotionen des Tages  beeinflusst, doch solltet Ihr einmal in der Nähe sein, so besucht doch einmal die ,,Steile Wand von Meerane". Tut es für Euch, tut es für die Stadt und tut es für die längst vergessene Friedensfahrt!











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